Im Jahr 2019 ist die Energiewirtschaft wie selten zuvor von Veränderungen geprägt:
- der Smart Meter Rollout droht eventuell – vielleicht – dieses Jahr tatsächlich zu starten
- Klimaschützer protestieren auf offener Straße für saubere Energie
- eine CO2-Steuer wird offen diskutiert
- die Vergütung der ersten EEG-Anlagen aus dem Jahr 2000 läuft aus
- und auf das Interimsmodell der Marktkommunikation folgt mit der MaKo2020 ein weiteres Interimsmodell
Mittendrin stehen Stadtwerke und Energieversorger. In diesem Jahr häufen sich die Insolvenzen besonders günstiger Energiediscounter, aber gleichzeitig will der Kunde doch unbedingt günstigen Strom. Sauber soll der aber auch sein. Und irgendwas mit digital, smart und 4.0 hätten wir auch noch gern.
Kurz gesagt: für die Branche wird der Alltag nicht leichter.
Es stellen sich aber nicht nur Herausforderungen im Tagesgeschäft. Führungskräfte müssen heute schon die Strategie, die Geschäftsmodelle und den Vertrieb von Morgen aufbauen. Die klassische Energieversorgung bleibt margenschwach, die Großhandelspreise wankelmütig. Der Smart Meter Rollout bringt Ausrollquoten aber zumindest rund um die moderne Messeinrichtung praktisch keinen Mehrwert, während die intelligenten Messsysteme mit den Smart Meter Gateways der ersten Generation auch noch nicht ihre Potenziale ausschöpfen. Branchenfremde Technologieanbieter drohen den Markt rund um Smart Homes und das Internet of Things einzunehmen, während das klassische Stadtwerk oft genug noch darauf wartet, dass… ja, worauf wartet man eigentlich?
Stadtwerke müssen jetzt die ersten Schritte gehen
Im Rahmen der Daseinsvorsorge übernehmen Kommunen und ihre Stadtwerke eine Vielzahl von entscheidenden Aufgaben im Alltag der Bewohner. Von den klassischen Aufgaben der Energiewirtschaft, der Wärmeversorgung und der Abfallentsorgung über den öffentlichen Nahverkehr bis zum Bäderwesen, Bibliotheken und kulturellen Veranstaltungen.
Die fortschreitende Digitalisierung verändert nicht nur die genannten Bereiche und darüber hinaus praktisch alle Hintergrundprozesse einer Stadtverwaltung, sondern insbesondere den Alltag aller Menschen. Das Smartphone entwickelt sich immer weiter vom Telefon zum allumfassenden Assistenzgerät, das nicht mal mehr mit den Händen bedient werden muss: „Hey Siri / OK Google, wie komme ich zum Hauptbahnhof und wie ist das Wetter auf dem Weg?“ ist die leichteste Übung unserer digitalen Assistenten. Ganz abgesehen von einer Unzahl an Apps und Portalen, mit denen wir unseren Alltag erleichtern oder uns zumindest davon ablenken lassen.
In Deutschland nutzen weit über 80 % der Menschen Smartphones.
Auf diese kleinen handlichen Geräte muss auch das Stadtwerk gelangen. Unbedingt. Auf welche andere Weise soll man sonst die tollen Angebote der Stadt publik machen und wie will man junge Leute als (zukünftige) Kunden gewinnen und dauerhaft binden? Die Vision muss ein städtisches Portal oder eine kommunale App sein, in der nicht nur alle Angebote von A bis Z aufgezählt werden und vielleicht noch ein Formular zum manuellen Druck verlinkt wird. Es geht um echte Interaktion mit den städtischen Angeboten, um echten Mehrwert über einen höheren Komfort oder monetäre Vorteile.
So eine Vision beginnt bei einer übergreifenden Mobilitätsfunktion, bei der alle Varianten von A nach B zu kommen miteinander verwoben werden können. So werden dem Suchenden nicht nur Bus und Bahn, sondern auch Carsharing und Fahrradwege angezeigt. Darüber hinaus bekommt der Nutzer zu seinen Gewohnheiten passende kulturelle oder auch gewerbliche Angebote am Zielort angezeigt. Das bringt nicht nur dem lokalen Handel potenzielle Kunden, sondern auch der Stadt Einnahmen durch Nutzungsgebühren für Anbieter. Und der Bewohner ist zufrieden, weil er einen echten Mehrwert geboten bekommt – in der App seines Stadtwerks. Warum sollte sich so ein Kunde jetzt noch von einem anderen Energieversorger beliefern lassen? Der Kunde bindet sich an den Mehrwert.
Die technische Grundlage für den Großteil der Angebote einer Smart City sind intelligent vernetzte Sensoren, Zähler und Aktoren. Diese werden zum Beispiel über ein LoRaWAN-Netz – das grob mit einem Mobilfunknetz verglichen werden kann – und entsprechende Gateways und Server zusammengeführt. Die Einführung eines ersten kleinen Projekts lässt sich erfahrungsgemäß mit weniger als 10.000 Euro Gesamtkosten umsetzen.
Am Ende warten vielfältige Vorteile wie smartes Parkraummanagement, bedarfsorientierte Abfallentsorgung und eine höhere Prozesseffizienz. Entscheidend ist: jetzt anzufangen. Es müssen Lösungen diskutiert werden, die konkret zur Stadt bzw. zum Landkreis passen. Es müssen Partner aus der Forschung, der Wirtschaft und den Nutzergruppen an den Tisch geholt werden. Aber vor allem muss der erste Schritt einfach gegangen werden.