Unbundling – einfach erklärt

Geschichte des Energiemarkts

Der Netzbetreiber nimmt eine zentrale Rolle zwischen der Stromerzeugung und dem Energieverbrauch ein, indem er als Vermittler für die physische und wirtschaftliche Stromverteilung fungiert. Dieser Schlüsselrolle liegt die historische Entwicklung der deutschen Energiewirtschaft zugrunde, die durch eine starke Monopolstellung der Energieunternehmen in ihren jeweiligen Regionen gekennzeichnet war. Die Betreiber von Kraftwerken waren oft auch die Betreiber der Stromnetze, was ihnen eine dominante Position im Markt sicherte. Um diese Monopolstrukturen aufzubrechen und einen freien Markt zu ermöglichen, wurde eine Entflechtung der Energieunternehmen durchgeführt, bekannt als Unbundling.

 

Zurückblickend auf die Wurzeln der Energiewirtschaft beginnt unsere Reise 1884 mit der Eröffnung des ersten richtigen Kraftwerks in Berlin durch die deutsche Edison Gesellschaft, gefolgt vom allmählichen Zubau von Kraftwerken in Deutschland. Diese Entwicklung führte zur Gründung weiterer Kraftwerksgesellschaften und der Entstehung eines vielfältigen Marktes mit zahlreichen Betreibern, die ihre eigenen Stromnetze aufbauten.

 

Im Verlauf des 20. Jahrhunderts führten Kommunalisierungen und Fusionen zur Bildung von Stadtwerken und großen Konzernen. Ein Beispiel ist die RWE: Schon 1898 gegründet, teilte sie sich mit den VEW Vereinigte Elektrizitätswerke Westfalen seit 1906 einen großen Teil von Nordrhein-Westfalen. Darüber hinaus gab es die VIAG, zu der seit 1921 das Bayernwerk gehörte. Der VEBA-Konzern schluckte 1927 PreussenElektra. Im Süden gab es zum Beispiel die Neckarwerke, das Badenwerk und die Energieversorgung Schwaben. In Berlin entstand die Bewag (Berliner Städtische Elektrizitätswerke) und in Hamburg die HEW (Hamburger Elektrizitätswerke).

 

Diese Unternehmen schlossen sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zu den bekannten „Vier Großen“ der Energiewirtschaft zusammen: RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall. Diese Marktdominanz führte dazu, dass unabhängige Drittversorger nicht in den Markt eintreten konnten. Ohne Zugang zu Stromnetzen war eine eigenständige Energieversorgung nicht möglich, da die etablierten Konzerne keinen Zugang für neue Wettbewerber gewährten.

Liberalisierung des Energiemarkts

Die Marktdominanz weniger großer Konzerne und das Fehlen von Wettbewerb wurden zunehmend als problematisch angesehen. Deshalb wurde die Liberalisierung des Energiemarktes in Gang gesetzt. Ziel war es, einen freien und fairen Markt zu schaffen, indem ein diskriminierungsfreier Zugang zu den Stromnetzen für alle Versorger gewährleistet wird. Die 1996 in Kraft getretene EU-Richtlinie 96/92/EG regelte die Elektrizitätsmarktliberalisierung, und die Novellierung des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahr 1998 in Deutschland legte den Grundstein für diese Veränderungen.

Im Energiewirtschaftsgesetz wurden Regeln zur Entflechtung des Stromnetzes umgesetzt und die Neustrukturierung der Energieunternehmen vorgegeben. Um diese Änderungen dauerhaft sicherzustellen, wurde die Bundesnetzagentur als Regulierungs- und Überwachungsbehörde gegründet. Sie spielt eine zentrale Rolle in der Überwachung des liberalisierten Marktes, insbesondere bei der Kontrolle der Netznutzungsentgelte und der Sicherstellung des diskriminierungsfreien Zugangs zu den Netzen.

Exkurs: Bundesnetzagentur

Die Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen ist die Regulierungsbehörde für diese fünf Netzmärkte. Sie wurde 1998 gegründet und war ursprünglich nur für Post und Telekommunikation zuständig. Seit 2005 überwacht sie auch den Strom- und Gasmarkt und trägt durch die Kontrolle der Netznutzungsentgelte und die Überwachung der Netzneutralität zur Markttransparenz bei.

Unbundling

Das Unbundling, also die Entflechtung von Energieunternehmen, ist ein Schlüsselkonzept im Zuge der Liberalisierung des Energiemarktes. Es zielt darauf ab, Monopolstrukturen aufzubrechen und einen fairen Wettbewerb zu fördern, indem es die verschiedenen Geschäftsbereiche eines Energieunternehmens – Erzeugung, Übertragung, Verteilung und Vertrieb – voneinander trennt.

Diese Trennung wird durch verschiedene Stufen des Unbundlings realisiert:

Buchhalterisches Unbundling: Getrennte Buchführung und Bilanzierung für die Geschäftsbereiche, um Transparenz zu schaffen und Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

Informatorisches Unbundling: Trennung der Informations- und Datensysteme, um einen unfairen Informationsvorsprung zu verhindern.

Operationelles Unbundling: Trennung operativer Einheiten und des Personals, um unabhängige Entscheidungen sicherzustellen.

Gesellschaftsrechtliches Unbundling: Rechtliche Trennung der Geschäftsbereiche in eigene Gesellschaften, die operativ unabhängig agieren.

Eigentumsrechtliches Unbundling: Vollständige Trennung der Besitzverhältnisse zwischen Netz- und Energieunternehmen, um jegliche Interessenkonflikte zu eliminieren.

 

In Deutschland wurde das Unbundling insbesondere für die Übertragungsnetzbetreiber umgesetzt. Die drei größten Betreiber, 50Hertz (ehemals Vattenfall), Amprion (ehemals RWE) und TenneT (ehemals E.ON), wurden vollständig getrennt. TransnetBW bleibt innerhalb des EnBW-Konzerns, mit der Auflage, Anteile zu veräußern.

Fazit

Das Unbundling hat den deutschen Energiemarkt nachhaltig verändert und einen wettbewerbsfähigeren Markt geschaffen. Es eröffnete neuen Akteuren den Zugang zum Stromnetz und förderte Innovationen. Dennoch bleibt die Umsetzung herausfordernd, insbesondere im Hinblick auf Investitionsanreize und die Netzinfrastruktur. Die Energiewende wird die Diskussion um Unbundling weiter prägen und möglicherweise neue regulatorische Anpassungen erfordern.

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Sophie Schaller

Consultant Energiewirtschaft

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