Viele haben schon mal einen Ferraris-Zähler gesehen. Die wenigsten wissen, dass dieser schwere, kantige, schwarze Kasten im Zählerschrank so heißt – aber im Zweifel standen wir schonmal vor so einem analogen Stromzähler.
Die Technologie nutzen wir heute praktisch noch unverändert wie vor weit über 100 Jahren – man kann sich ja mal anschauen, wann der Herr Ferraris gelebt hat. Jedenfalls ist es ein rein mechanischer, ohne jegliche Computertechnik auskommender, Stromzähler. Man stellt sich davor, liest den Zählerstand ab, schreibt den auf und schickt ihn per Brieftaube los – so, oder so ähnlich.
In der klassischen Energiewirtschaft hat dieses Vorgehen natürlich gereicht. Der Versorger schätzt den kommenden Jahresverbrauch des Kunden, dann liest man den Zählerstand ab und hat damit den echten Kundenverbrauch. Dieser wird anhand des Versorgungstarifs abgerechnet. Der echte Jahresverbrauch kann für die nächste Verbrauchsprognose genutzt werden. Fertig.
Nicht mehr ausreichend.
Bisher haben wir für jeden Kunden also genau einen Datenpunkt pro Jahr – die echte Ablesung des Zählerstands.
Damit wissen wir natürlich überhaupt gar nichts darüber, wann der Kunde wie viel verbraucht.
Oder anders gesagt: wann genau wie viel Strom im Netz sein muss um den Verbrauch auszugleichen.
Damit wir nicht völlig im Blindflug unterwegs sind, wurden sogenannte Standardlastprofile entwickelt. Diese beschreiben das erwartete Verbrauchsverhalten einer definierten Kundengruppe über das Jahr hinweg. Also wann wird der Kunde an welchem Tag in welcher Saison mehr und wann weniger verbrauchen.
Dabei wird sinnvollerweise zwischen Haushaltskunden, Gewerbekunden und Landwirtschaftskunden unterschieden. Aber: im Standard gibt es trotzdem nur etwas mehr als ein Dutzend Standardlastprofile für Strom in Deutschland. So als gäbe es nur ein paar handvoll verschiedene Verbrauchsverhalten bei über 50 Millionen Verbrauchern.
Aber, es läuft wirklich so: wir nehmen anhand des letzten Zählerstands eine Jahresverbrauchsprognose an. Im Standardlastprofil wird ein bestimmter Jahresverbrauch angenommen – den ersetzen wir also durch die echte Prognose und schon haben wir eine angenommene Verbrauchsmenge unseres Kunden für jede Viertelstunde.
Über den Daumen gepeilt.
Und ja, so läuft das wirklich. Auch Anfang der 2020er Jahre noch.
Was ändert sich?
Für die meisten Haushalts- und Gewerbe- sowie Landwirtschaftskunden läuft das bis auf Weiteres genau so. Nur bei größeren Industrieverbrauchern mit mehr als 100.000 kWh Jahresverbrauch wird eine sogenannte Lastgangmessung mit echten 15Min-Werten durchgeführt. Und die einen oder anderen Verbraucher*innen haben mittlerweile auch einen sogenannten Smart Meter eingebaut bekommen. Die moderne Messeinrichtung oder das intelligente Messsystem (mit Smart Meter Gateway für echte Echtzeit-Ablesung) schreiben tatsächlich für jede Viertelstunde einen einzelnen Zählerstand auf.
Dann kommen wir von einem Datenpunkt pro Kunde pro Jahr … auf mehr als 35.000 Ablesungen pro Kunde pro Jahr.
Das ist dann schon deutlich besser um ein echtes Verbrauchsverhalten und damit eine wirklich passende Verbrauchsprognose auszurechnen. Und das ist wiederum gut für die Stabilisierung des Stromnetzes und des Energiemarkts.
Aus dem jährlichen Brieftauben-Zählerstand – der falsch abgelesen, falsch aufgeschrieben und falsch eingescannt werden kann – wird dann also eine automatisch eingelesene Datenbank mit tausenden echten Zählerständen.
Für die IT des Energiemarkts ist das natürlich eine deutliche Weiterentwicklung (und auch eine Herausforderung). Aber diese Änderung ist dringend nötig um endlich wirklich zu wissen, was im Stromnetz wann und wo genau passiert.
Das ist wortwörtliche Digitalisierung.