Die Bilanzkreisbewirtschaftung kann als Kern der Energiewirtschaft bezeichnet werden. Am Ende werden die Erkenntnisse aus Lieferantenwechsel, Verbrauchsprognosen, Zählerablesungen, Abrechnungen, Energiehandel, Energiebeschaffung und co. immer in die eigene Energiemengenbuchhaltung übernommen. Das Ziel ist eine ausgeglichene Energiebilanz. 

Energiemengenbuchhaltung

Also, warum müssen wir über jede kWh Buch führen?

Die leitungsgebundene Energieversorgung – Strom, Gas, Wärme, Wasser fließen über Leitungssysteme zum Verbraucher – ist eigentlich immer ein Monopol. Ein Unternehmen hat mal Kraftwerke o. ä. gebaut, Leitungen gelegt und Verbraucher angeschlossen. Deswegen gab es auch nie den Ansatz eines echten Wettbewerbs – wenn die Leitungen einmal liegen, dann liegen sie ja schon. Nochmal ein zweites Stromkabel daneben legen bringt dann nicht viel.

Also haben wir Ende der 90er Jahre damit angefangen, eine virtuelle Ebene des Wettbewerbs zu schaffen: rein physisch fließt der Strom natürlich trotzdem vom nächstgelegenen Kraftwerk zum Kunden, aber wir verfolgen einfach den Weg jeder gemessenen kWh und ordnen sie immer jemandem zu – bis sie beim Verbraucher ankommt.

So können wir sagen: diese kWh stammt von einem Windradbetreiber und wurde von einem Versorger eingekauft. Und daher kann ich dir – lieber Ökostromkunde – auch Ökostrom verkaufen. Wenn du am Ende des Jahres deine Ökostromrechnung bezahlst, kommt das Geld über meinen Einkauf dem Ökostromhersteller zu.

Dieses virtuelle System der Energiemengenzuordnung kann natürlich nur funktionieren, wenn wir einen genauen Überblick über die Erzeugung bzw. den Import und den Verbrauch von Strom sowie Gas haben. Hier kommt der Bilanzkreis ins Spiel.

Der Bilanzkreis.

Der Bilanzkreis ist quasi das Energiemengenportfolio. Jeder Erzeuger / Vermarkter oder Versorger führt so einen Bilanzkreis als virtuelles Energiemengenkonto. Dabei stehen sich Erzeugung und Verbrauch gegenüber und müssen jederzeit ausgeglichen werden. Unter „jederzeit“ verstehen wir in der Energiewirtschaft alle 15 Minuten. Erzeugung und Verbrauch müssen also pro Viertelstunde der gleichen kWh-Menge entsprechen.

Anders gesagt: der Erzeuger / Vermarkter hat eine gewisse Menge an Stromerzeugung pro Viertelstunde. Genau diese Menge möchte das Unternehmen also auch verkaufen – so kommen Energiemengen zum Beispiel an die Börse.

Und der Versorger hat eine bestimmte Menge Kunden mit einem bestimmten Lastprofil – also einer Prognose des voraussichtlichen Verbrauchs pro Viertelstunde – die Summe der Verbrauchsmengen möchte der Versorger pro Viertelstunde am Markt beschaffen.

Der Sinn dahinter ist simpel: wenn wir so viel Strom am Markt verkaufen wie vorher erzeugt wurde – und wenn wir so viel Strom am Markt beschaffen wie unsere Kunden verbrauchen – dann gleichen sich Angebot und Nachfrage an und wir haben ein gut stabiles System. Denn: aus elektrotechnischen Gründen müssen wir genau so viel Strom erzeugen wie eben in genau diesem Moment verbraucht wird. Dahinter steckt auch der bekannte Begriff der Netzfrequenz von 50 Hertz. Um diese technische Ausgeglichenheit zu erreichen, soll auch der Markt ausgeglichen sein – die Bilanzkreise sollen ausgeglichen sein.

Und wenn ich mich nicht daran halte? Was wenn ich meinen Bilanzkreis nicht sauber ausgleiche? 

Dann kommt irgendwann der für mich aufsichtshabende Übertragungsnetzbetreiber – in seiner Marktrolle als Bilanzkoordinator – und bucht mir schlimmstenfalls horrende Strafen auf den Bilanzkreis – für jede Viertelstunde. Und das will ja niemand 🙂