Erneuerbare Energien verhindern den Blackout.
Jedes Jahr gibt es weniger Stromausfälle in Deutschland.
Die Überschrift ist natürlich etwas provokativ. Aber tatsächlich ist da was dran — die voranschreitende Energiewende in Deutschland steht für eine hohe Versorgungssicherheit. Wir schauen uns das nach und nach an.
Die Energiewende durchschreitet mehrere Phasen und ist noch lange nicht abgeschlossen. Zuerst stand sie für den Aufbau Erneuerbarer Energien und für das Einsparen unnötigen Verbrauchs. Diese ersten Ziele sind mittlerweile gut vorangeschritten: mehr als die Hälfte der Stromproduktion in Deutschland kommt von den Erneuerbaren und viele Menschen achten darauf, Energie im Alltag nicht unnötig zu verschwenden.
Die nächsten großen Schritte der Energiewende sind recht klar:
- den Anteil der Erneuerbaren in der Stromproduktion weiter erhöhen,
- den Energieverbrauch im Wärme- und Verkehrsbereich verringern oder durch Erneuerbaren Strom ersetzen (Heizstrom bzw. Elektromobilität),
- die Digitalisierung der Energiewende vorantreiben und damit Produktion, Speicherung und Verbrauch noch besser aufeinander abstimmen.
Vor allem der letzte Punkt ist für die Versorgungssicherheit entscheidend: je mehr Daten über den Energieverbrauch zur Verfügung stehen, desto besser kann die Stromerzeugung und -Speicherung darauf abgestimmt werden. Und desto weniger Schwankungen und Engpässe gibt es dann im Stromnetz.
Ein stabiles Stromnetz
Das Energiesystem ist komplex. Einfach gesagt müssen wir immer die genau gleiche Menge Strom erzeugen wie in dem gleichen Moment verbraucht wird. Wenn zu viel erzeugt wird, ist das Stromnetz überlastet und kann ausfallen. Wenn zu wenig erzeugt wird, fällt es natürlich auch aus. Die großen Stromnetzbetreiber kümmern sich den ganzen Tag darum, die Auslastung der Netze im Auge zu behalten und bei Engpässen zu reagieren.
Wie oft und wie lang kommt es aber überhaupt zu richtigen Stromausfällen in Deutschland? Je nach Wohnort können sich die meisten Menschen gar nicht an einen echten Stromausfall erinnern. Ich selbst wohne in Gera in Ostthüringen. Im vergangenen Jahr hatten wir in unserem Stadtviertel für etwa eine halbe Stunde einen Stromausfall — wegen eines technischen Defekts. In anderen Stadtvierteln ist das nicht mal aufgefallen.
Und diese anekdotische Erfahrung stimmt mit der Realität überein. In Deutschland gibt es praktisch keine spürbaren Stromausfälle.
Das bestätigen die Zahlen der entsprechenden Aufsichtsbehörde. Die Bundesnetzagentur veröffentlicht für jedes Jahr den SAIDI-Wert. SAIDI steht für System Average Interruption Duration Index und bedeutet so viel wie die durchschnittliche Versorgungsunterbrechung pro angeschlossenem Verbraucher im Jahr.
Versorgungsunterbrechung
In die Berechnung des oben dargestellten SAIDI-Werts fließen alle ungeplanten Unterbrechungen der Stromversorgung. Im Untersuchungsjahr 2019 gab es davon im Haushaltsbereich (Niederspannung) etwa 139.000 Stück. Das klingt erstmal viel. Wenn man die Anzahl aber auf 51 Millionen Verbraucher anlegt, sieht das nicht mehr so schlimm aus. Die meisten Haushalte hatten gar keine Unterbrechung der Stromversorgung gespürt.
Der orange-farbige Bereich im oberen Diagramm steht für die Dauer der Unterbrechung in Minuten. Diese lag 2019 durchschnittlich bei 2,19 Minuten. Gut 2 Minuten im Jahr — das klingt nicht schlecht.
Die blauen Balken im Diagramm stehen für die Unterbrechungen in der Mittelspannung — das sind Verbraucher mit mehr als 1 kV. Dabei handelt es sich also um Gewerbe- und Industriekunden, bei denen sich die Ausfälle im Durchschnitt auf 10,01 Minuten begrenzen. Daraus ergibt sich die Summe von 12,20 Minuten Gesamtunterbrechung für das Jahr 2019. Das ist wirklich nicht tragisch.
Und tatsächlich haben wir damit den geringsten SAIDI-Wert seit offizieller Aufzeichnung im Jahr 2006. Die Gesamtdauer hat sich seitdem fast halbiert. Ausgerechnet in dem Zeitraum ist auch der Anteil Erneuerbarer Energien im Stromnetz um ein Vielfaches angestiegen.
Anscheinend sind die Erneuerbaren kein Problem für die Versorgungssicherheit. Um genau zu sein, werden vernetzte Erneuerbare und Speicher in Zukunft sogar die Grundpfeiler eines noch deutlich sichereren System sein — eben, weil wir Verbrauch und Produktion aufeinander abstimmen können.
Ausnahme in Berlin
Der SAIDI-Wert wird auch für die Bundesländer getrennt aufgezeichnet. Für Berlin ergibt sich dabei ein überraschender Wert.
In Berlin lag für 2019 ein abweichender Wert von 34,33 Minuten vor. Das war ein Vielfaches der Ausfallzeiten in anderen Bundesländern. Und so könnte man dazu neigen, mit ein bisschen Überheblichkeit über die Infrastruktur in Berlin zu sprechen.
Aber wir müssen uns daran erinnern, dass der SAIDI-Wert den Durchschnitt der Ausfälle angibt. Und vielleicht erinnern sich einige an den Vorfall im Februar 2019, als Bauarbeiten an einer Brücke gleich mehrere wichtige Stromkabel durchtrennten und damit einen großflächigen Stromausfall für etwa 31 Stunden in Berlin-Köpenick verursacht haben. Wenn man diesen Vorfall rausrechnet, liegt für Berlin sogar ein recht vorbildlicher SAIDI-Wert vor.
Kommt der Blackout?
Auf die Frage, was bei einem Blackout oder ähnlichen Krisen tatsächlich passiert, finden sich einige Antworten. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung des Bundestags hat 2011 einen ausführlichen Bericht über die „Gefährdung und Verletzbarkeit moderner Gesellschaften — am Beispiel eines großräumigen und langandauernden Ausfalls der Stromversorgung“ auf knapp 300 Seiten veröffentlicht. Das E-Book kann hier bei „Arbeitsbericht“ einfach heruntergeladen werden.
Und Vereinigungen wie der ASB bieten oft kostenfreie Kurse (auch für Kinder!) zur Vorbeugung und Reaktion auf Katastrophenfälle.
Es ist bis auf Weiteres aber nicht wahrscheinlich, dass wir in Deutschland einen großflächigen Stromausfall über längere Zeit erfahren werden. Etwa 900 Stromnetzbetreiber kümmern sich die ganze Zeit um eine möglichst große Versorgungssicherheit. Und das zusammenhängende europäische Stromnetz kann sich auch gegenseitig unterstützen.
Und darüber hinaus sprechen alle Daten dafür, dass die Energiewende bisher eher zur Sicherheit der Versorgung beigetragen hat. Entlang der weiter voranschreitenden Digitalisierung dürfte das auch nur noch besser werden.