Manche Kraftwerke können sich im Stromhandel ganz besonders gut vermarkten. Manch andere Kraftwerke laufen immer öfter nicht rentabel und müssten eigentlich so langsam, aber sicher abgestellt werden. Bei diesem Thema wird oft von der Merit-Order gesprochen. Was steckt eigentlich dahinter?
Die Merit-Order ist die Einsatzreihenfolge von Kraftwerken. Sie beschreibt, welche Kraftwerke zuerst eingesetzt werden und welche Kraftwerke nur dann laufen, wenn wirklich ganz besonders viel Bedarf vorhanden ist. Zusammengefasst beschreibt die Merit-Order, dass zuerst Erneuerbare Energien, dann Atomkraftwerke, dann Kohlekraftwerke und zuletzt Gaskraftwerke in Deutschland eingesetzt werden.
Oft wird bei der Merit-Order etwas falsch verstanden: sie ist keine Regel und kein Gesetz. Sie ist vielmehr ein Modell, was die Realität im Stromhandel beschreibt. Aber wie genau funktioniert das?
Im Stromnetz muss ja immer genau so viel Strom produziert werden, wie gerade auch verbraucht wird. Dementsprechend bieten Kraftwerksbetreiber ihre Stromproduktion an, um eben den Verbrauch der Haushalts-, Gewerbe- und Industriekunden zu decken. Wenn der Stromverbrauch steigt, wird mehr Kraftwerksleistung gebraucht. Wenn der Stromverbrauch fällt, werden weniger Kraftwerke und Erzeugungsanlagen benötigt. Klingt logisch.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen entlang der Energiewende bevorzugen Erneuerbare Energien vor allen anderen Produktionsquellen. Außerdem schaffen es Erneuerbare immer mehr, sehr günstig Strom zu produzieren. Das liegt natürlich auch daran, dass insbesondere bei Solaranlagen, Wasserkraftanlagen und Windkraftanlagen keine externen Ressourcen (z. B. Brennstoffe) eingesetzt werden müssen. Wenn der Wind weht bzw. die Sonne scheint, kann man diese kostenfrei nutzen. Wenn die Anlagen gebaut sind, brauchen sie auch kein dauerhaft aktives Personal und keine großartige Infrastruktur. Genau hier liegen die typischen Kostenfaktoren der großen fossilen Kraftwerke. Man muss Brennstoffe (Uran, Kohle, Erdgas) einkaufen, viel Personal und große Kraftwerksanlagen bezahlen.
So kann man sich erstmal herleiten, warum die Erneuerbaren in der Merit-Order ganz am Anfang stehen. Sie werden gesetzlich gefördert und sind auch immer öfter die tatsächlich günstigste Produktionsquelle.
Die nachfolgende Reihenfolge von Kernkraftwerken, Kohlekraftwerken und Gaskraftwerken ergibt sich vor allem aus der Größe der Anlagen. Man kann sich das schon so vorstellen, dass ein sehr großes Kraftwerk einfach mehr Kilowattstunden (kWh) produziert und daher die Gesamtkosten auf mehr kWh verteilen kann. Damit fallen weniger Kostenfaktoren auf den Strom aus Kernkraftwerken als auf den Strom aus Gaskraftwerken.
Nun handelt es sich beim Strommarkt auch um einen ganz klassischen Markt mit Angebot und Nachfrage. Je höher die Nachfrage, desto höher kann auch der Preis des Angebots werden. Wenn mehr Leute etwas wollen, kann man teurer anbieten. Wenn also mehr Strom nachgefragt wird, steigt der Handelspreis für die Elektrizität aus den Kraftwerken. Die Nachfrage sucht natürlich trotzdem immer die günstigsten Angebote, sodass die beschriebene Reihenfolge aus Erneuerbaren, Kernkraft, Kohle- und Gaskraftwerken ganz natürlich zustande kommt.
Wenn der Bedarf am Markt sehr gering ist, werden nur die geförderten und günstigen Erneuerbaren Energien nachgefragt. Der Handelspreis orientiert sich dann an den Kosten der Erneuerbaren. Der Preis ist dann also eher gering. Wenn die Nachfrage aber steigt und auch der Strom aus den noch laufenden Kernkraftwerken benötigt wird, steigt der Handelspreis auf die Kosten des Atomstroms. Wenn der Bedarf noch höher ist, wird auch Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken nachgefragt und dementsprechend steigt der Handelspreis auf deren Kosten.
Da der Handelspreis aber übergreifend angewendet wird bzw. zumindest einen Trend vorgibt, wird bei hoher Nachfrage jeglicher Strom mit dem hohen Preis vergütet. Dabei entsteht also ein Extra-Gewinn für die günstigeren Erzeugungsanlagen, was in der Grafik oben blau dargestellt ist. Je teurer der Handelspreis an der Strombörse, desto höher ist der Gewinn der Erneuerbaren Energien.
Die Merit-Order ist also eine Beschreibung. Sie zeigt, dass günstige Kraftwerke immer zuerst nachgefragt werden. Und dass diese günstigen Kraftwerke bei hohem Strombedarf – und daher hohem Strompreis – auch extra hoch vergütet werden.